Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen — so ging es mir manchmal, wenn ich an einer scheinbar verfahrenen Situation in der Arbeit angelangt war. Wo setzt man an? Und eigentlich sollten doch die Eltern, die Kolleg:innen, die Vorgesetzten… Bis ich im Rahmen meiner ersten Coachingaufträge auf ein Modell gestoßen bin, das diesen Wald ein bisschen lichtet. Es hilft, Veränderbares von Unveränderlichem zu unterscheiden und setzt bei den Möglichkeiten an, die es jetzt schon gibt.
Die Ursprünge dieses Modells liegen in den Arbeiten von Steven Covey und Alfred Schütz. Steven Covey, ein US-amerikanischer Autor, Pädagoge und Unternehmer, beginnt seine Überlegungen bei der Tatsache, dass Menschen oft lange Zeit damit verbringen, über Dinge zu grübeln, die eigentlich unveränderbar sind. Sein auf den ersten Blick sehr schlichtes Modell des Circle of Influence zeigt einen großen und einen darin liegenden kleineren konzentrischen Kreis. Innen, so Covey, liegt der Bereich, den wir persönlich beeinflussen können — darum herum der Bereich, auf den wir keinen Einfluss haben.
Alfred Schütz, emigrierter Wiener Soziologe und Begründer der phänomenologischen Soziologie, hat einen in seinem Buch ‘Strukturen der Lebenswelt’ ebenfalls Überlegungen zu den Einflussbereichen des einzelnen Menschen angestellt. Er zieht jedoch nicht wie Covey eine einzige Grenze zwischen Erreichbar und Unerreichbar, sondern geht davon aus, dass es so etwas wie aktuelle und potentielle Reichweite gibt.
Aus diesen Wurzeln entstand das erweiterte Kreismodell. Wie bei Covey liegt in der Mitte der konzentrischen Kreise der Bereich, den man selbst direkt und ohne Hilfe jetzt beeinflussen kann. Danach kommt ein Kreisring, in den die Dinge fallen, die ich potentiell selbst beeinflussen kann. Dabei meint potentiell, dass ich dazu andere Kolleg:innen bräuchte oder Hilfe von “außen”. Der äußerste Bereich wird zum Bereich der Wünsche, Interessen und Sehnsüchte. Hier landen alle Dinge, die mich zwar bewegen, betreffen oder berühren, aber auf die ich keinen direkten Einfluss habe.

Wie kann damit gearbeitet werden? Gut funktioniert das Modell einfach in der Einzelreflexion. Mit einem Bleistift auf ein Blatt Papier zeichnet man sich die Kreise vor oder lädt sich hier die kostenlose Vorlage herunter. Dann fokussiert man auf eine Themen- oder Problemstellung und lässt den Gedanken freien Lauf:
- Was hätte ich gern anders, kann aber nichts dafür tun? Was ändert sich gerade, ich kann es aber nicht aufhalten? All das kommt in den äußersten Bereich.
- Wo könnte ich etwas tun, brauche aber Hilfe (die ich mir leicht holen kann) oder eine andere Person (zu der ich leicht Zugang habe) dafür? Das sind die Dinge, die in den mittleren Bereich kommen.
- Welche Dinge kann ich jetzt direkt zu diesem Thema/Problem beeinflussen, tun oder verändern? Dafür ist die innerste Zone vorgesehen.
Im Lauf dieser Überlegungen darf man sich ruhig erlauben, auch über bereits gedachte Muster hinauszudenken. Dazu hilft es vielleicht auch, mit einem vertrauten Menschen in Dialog zu gehen. Meist entwickelt sich in der Arbeit mit diesem Modell mehr Klarheit und Ordnung in den eigenen Gedanken. Die unbeeinflussbaren lösen sich von den beeinflussbaren Dingen und auf letztere kann dann der Fokus gerichtet werden. Daraus entsteht wiederum das Gefühl, selbst Dinge steuern zu können und daraus kann eine positive Wendung auf die Sicht auf das Thema entstehen, ein Denken in Optionen.
Zuletzt bleibt noch der Hinweis, dass die Arbeit mit Modellen hilfreich sein kann, weil Modelle immer dazu da sind, die sehr komplexe Wirklichkeit in ein paar Linien und Worte zu gießen und sie so zu vereinfachen. In der Kehrseite ist ein Modell aber auch immer das: eine Vereinfachung; man kann es also auch getrost wieder verwerfen, neu denken oder beiseite legen, wenn es unserem facettenreichen Leben mit den unzählbaren Zusammenhängen nicht (mehr) gerecht wird. 🙂
* Foto von Joel Vodell — Unsplash
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