Die Arbeit mit Kindern hat es in sich — die Tage sind gefüllt mit so vielen Eindrücken, dass man selbst oft garnicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht. Mit einem meiner Teams habe ich daher einmal mit einem kleinen Ritual begonnen, das uns mit recht geringem Aufwand zu mehr Achtsamkeit auf die guten Momente mit den Kindern gelenkt hat.
Jan Lenarz und Milena Glimbovski haben für dieses kleine Ritual den Grundstein gelegt: die beiden haben Mitte 2015 nach eigenen Erfahrungen mit dem Ausgebranntsein das Unternehmen Ein guter Verlag gegründet. Seither geben sie Planer und Tagebücher heraus, die Erkenntnisse über Burnout und mentale Probleme vermitteln. Ihre Idee: sich täglich mit Selbstachtung und Reflexion eigener Arbeitshaltungen auseinandezusetzen hilft, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und einen achtsamen Fokus auf die eigene Arbeit zu richten.
Für uns damals genau der richtige Weg, auch in der Arbeit mit den Kindern den Fokus auf das Gute und das Geschaffte zu legen. Und so war das Weihnachtsgeschenk an uns als Team das Tagebuch Ein guter Tag, das der Verlag damals gerade frisch herausgebracht hatte. Dieses Tagebuch lag dann bei uns im Regal, und alle waren eingeladen am Ende des Tages — oder wann immer ihnen danach war — Einträge zu machen.
Was wir in den darauf folgenden Wochen gemerkt haben: es ist nicht so leicht und selbstverständlich auf’s Gute im Tag zu achten! Manchmal hat es ein paar Tage kein Eintrag auf die Seiten unseres neuen Begleiters geschafft — zu viel Trubel, viele Herausforderungen. Wir haben einander darin bestärkt, auch die kleinen, unscheinbaren Begebenheiten miteinander und mit den Kindern zu sehen. Und dabei auch gelernt, dass niemandem damit geholfen ist, das Schlechte, Anstrengende und Nervige schönzureden, sondern, dass auch das seinen Platz braucht. Denn manches davon hat seinen Anteil in der Art wie unsere Organisation oder unsere Gesellschaft ticken und kann nicht “wegreflektiert” werden. Die Kunst ist, sich nicht ganz davon einnehmen zu lassen.
Mit der Zeit haben sich die Seiten gefüllt. Besonders schön war es, die Einträge meiner Kolleg:innen zu lesen, und so auf eine neue Art von ihren Momenten mit den Kindern, von denen man einander sonst eher wenig erzählt, zu erfahren. Das hat mir mehr als einmal im Frühdienst ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.
Wie Ein guter Tag konkret funktioniert? Das Buch ist klar und einfach aufgebaut. Am Anfang gibt es eine kurze Bestandsaufnahme, die auch wunderbar zur Reflexion im Team anregen kann:
- Selbstfürsorge: Was tut mir und anderen Teammitgliedern gut?
- Werte und Leitsätze: Einander hier besser kennenzulernen öffnet spannende Gespräche.
- Ziele: Zu wissen, was wir uns und einander als Team kurz‑, mittel- und langfristig wünschen gibt uns mehr Klarheit in der Arbeit miteinander.
- Gute Tage: Wir lernen einander besser kennen, wenn wir darüber sprechen, wie ein guter (Arbeits-) Tag für uns aussieht.
- Dankbarkeit und Wertschätzung: Wofür sind wir als Team dankbar?
Jeder Tag hat dann Platz für mehrere Einträge und eine Achtsamkeitsampel – selbige lässt sich wunderbar als Team nutzen, oder nur als kleine Erinnerung für einen selbst. Die Tage sind nicht vordatiert, man kann einfach auch mal ein paar Tage auslassen, oder nach Schließtagen einfach dort weitermachen wo man aufgehört hat.
Immer wieder werden die Seiten durch Zitate und Impulse aufgelockert. Erfrischend ist der von Leichtigkeit geprägte Blick, den die Autor:innen an den Tag legen. So heißt es zum Beispiel:
„Auch gut gemeinte Ratschläge zu Achtsamkeit und Stressvermeidung können Stress auslösen. Denn wenn du dich mit diesen Themen beschäftigst, fragst du dich vielleicht unweigerlich, ob du achtsam genug lebst und welche Techniken du noch alle lernen müsstest. Beachte das auch beim Lesen unserer Tipps. Es geht nicht darum, jeden Tipp zu verfolgen und das ganze Repertoire an Techniken zu erlernen. (…) Nimm nur Handlungsideen an, die sich spontan gut anfühlen. (…)“1
Das Buch Ein guter Tag in unseren Alltag einzuladen, hat sich spontan sehr gut angefühlt, auch wenn das Ritual zwischenzeitlich manchmal etwas versandet ist. Aber schon der Blick auf den feinen hellgelben Leineneinband war wie eine Erinnerung an den eigenen Fokus, den wir in unserer Arbeit mit den Kindern legen.
1 Lenarz und Glimbovski, Ein guter Tag, 4. Auflage September 2020, Ein guter Verlag, Berlin.
* Photo by Anika Huizinga on Unsplash
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