In den Sommermonaten und zu Beginn des Jahres spielt die Vorbereitung der räumlichen Umgebung für die Kinder eine wichtige Rolle. Gibt es genug Verbrauchsmaterial? Sind alle Materialien vollständig? Sollen wir die Aufteilung der Räume durch Tische und Regale verändern? Welche Kunstwerke kommen an die Wände?
„Raum ist immer schon da“, heißt es in einem Buch zum Thema Schularchitektur.
„Raumgestalten werden immer schon vorgefunden und zugleich ist die Geschichte jedes menschlichen Lebens von Anfang an eine Geschichte von Raumaneignung und Raumkonstitution: Menschen bilden Räume. Das beginnt beim Kinderzimmer (…) und führt über die Schule bis in die Verortung in der (…) je eigenen Geographie: immer beeinflussen die Räume und wirken auf die in ihnen lebenden Menschen – Räume bilden.” 1
Bilstein 2009
Menschen und Räume in denen sie leben und arbeiten sind also eng miteinander verbunden. Der Raum um mich bestimmt, welche Tätigkeiten mir möglich sind — wozu ich mehr, wozu weniger Aufwand benötige und wozu ich inspiriert werde. Ganze Abhandlungen wurden darüber verfasst, welche Farben in Räumen welche Wirkungen erzeugen. Man kann über organische oder geometrische Formgebungen diskutieren oder sich ganz den Fragen nach Maß oder Textur widmen. In Bezug auf die Kinder sind gerade die Montessori-Pädagogik aber auch andere reformpädagogische Strömungen immer noch Vorreiter zu diesem Thema. Die Ästhetik und die Anziehungskraft des Materials und die Wirkung der Ausgestaltung der Räume sind unzählige Male in der entsprechenden Literatur zu finden. 2
Viel seltener denken wir jedoch darüber nach, ob auch für alle, die mit den Kindern in diesen Räumen arbeiten werden, alles gut vorbereitet ist. Vielleicht ist die Zeit gekommen, dem (wieder) ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu schenken? Die folgenden Absätze sind als kleiner Reflexionsimpuls für den eigenen Alltag gedacht.
Beginnen wir bei unserem Körper: hier ist nicht nur die Frage, in welchen Positionen gearbeitet werden kann, sondern auch, wo sich der Körper zwischen und nach der Arbeit entspannen kann. In allen Arbeitssituationen mit Kindern sind unsere Körper hohen Geräuschpegeln und niedrigen Möbeln, manchmal auch schwerem Tragen ausgesetzt. Wenn wir für die Kinder alles nach ihrem Maß schaffen — gibt es eine Möglichkeit, das auch für uns Erwachsene zu tun? Kinder finden ihren Ausgleich oft durch spielerische Bewegung — welchen Bewegungsausgleich lassen unsere Räume für uns Erwachsene zu?
Die Räume, in denen wir arbeiten, spiegeln aber auch die Strukturen unseres Teams wieder. Wir streifen die Verknüpfung von Raum, Macht und Struktur3, lassen wir uns auf Fragen ein wie: Wer hat wo Zugang? Wer ist für Ordnung und Reinigung welcher Bereiche zuständig? Welche Orte sind tabu, welche häufig frequentiert, welche eher unbeliebt? Fühlen sich alle überall willkommen?
Nicht zuletzt ist auch unsere psychische Gesundheit am Arbeitsplatz mit dem Thema Raum verwoben. Sich zu entspannen und Stress zu reduzieren bedeutet unter anderem, sich räumlich zurückziehen zu können. Psychisch gut geht es uns auch, wenn wir uns in der Teamgemeinschaft wohl fühlen. Dass das Miteinander im Team gut gelingt, kann durch die räumlichen Gegebenheiten verstärkt oder eingeschränkt werden. Wo treffen wir uns gerne innerhalb unserer Arbeitsräume? Gibt es räumliche Gelegenheit zusammenzukommen? Lenken uns unsere räumlichen Gegebenheiten eher aneinander vorbei oder aufeinander zu?
Selbst zu Routinen im Team ist räumliche Gestaltung ein möglicher Schlüssel: das Aufhängen eines Feedbackpostkastens lädt mehr zu Rückmeldungen ein, als nur eine Aufforderung; die fix bestehende Meditationsecke im Teamraum macht es leichter möglich, sich täglich etwas Rückzug zu gönnen, als nur der Gedanke daran, dass das sinnvoll wäre.
Natürlich arbeiten wir nicht mit unbegrenzt gestaltbaren, plastischen Räumen. Räumliche Ressourcen sind wie zeitliche und monetäre Ressourcen in der pädagogischen Branche meist sehr begrenzt. Oft wurden die Räume, in denen wir mit Kindern arbeiten, zu anderen Zwecken geschaffen: Militär, Wohnraum, Gaststätte oder einfach nur für Zeiten anderer pädagogischer Denkweisen. Das begrenzt unsere Gestaltungsmöglichkeit. Nichts desto trotz: ein Blick lohnt sich!
1 Bilstein 2009, S. 239
2 vgl. u.a. Böhme 2009; Göhlich 2009; Groppe 2013; Hoffmann 2015; Overwien 2009; Reutlinger 2012
Außerdem gibt es eine wunderbare Initiative in der internationalen Montessori-Szene: https://montessori-architecture.org/
3 vgl. Schroer 2012
* Foto von bckfwd auf Unsplash
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